Energiewende
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

Reden über die Energiewende: Können ein optimistisches Storytelling und eine moderne, ansprechende Bildsprache helfen, die ökologische Transformation voranzubringen? Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Uhlig über die Coolness erneuerbarer Energien und die narrative Sektorkopplung.

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“

Bilder der Energiewende: So haben wir die ökologische Transformation im RWE-Kundenmagazin /NEXT begleitet

Es ist bekannt, dass die stagnierende Durchsetzung der Energiewende kein technisches Problem, sondern eines der gesellschaftlichen Akzeptanz ist. Ist eine misslungene Kommunikation, Ihrer Ansicht nach, mit Schuld am Fehlen dieser Akzeptanz?

Zu beobachten ist ja ein Widerspruch: generell hohe Zustimmung zur Energiewende im Allgemeinen – viel Ablehnung, wenn es auf der Projektebene konkret wird: Stichwort Nimby-Phänomen (not in my backyard), Klageflut, eine regelrechte Klagekultur. Akzeptanz wird besonders bei Windpark-Projekten zur Bremse. So betrachtet müsste die Kommunikationstrategie vor allem auf der jeweils lokalen Ebene verbessert werden. Ein Stichwort lautet hier Partizipation, also ein etwa planerischer und finanzieller Einbezug derer, die in der Nähe wohnen.

Ein wenig aus der Distanz betrachtet scheint mir aber dieses gern angeführte Argument von der mangelnden Akzeptanz auf suspekte Weise unpolitisch, als ob sich da der freie Bürgerwille, eine Art natürliche oder selbstverständliche Stimmungslage artikuliert. Ich würde zumindest meine Zweifel anmelden, wenn damit die stagnierende Umsetzung der Energiewende en gros erklärt wird. Der Zweifel rührt daher, dass ich nicht glaube, dass die politischen Entscheider*innen in der zu Ende gehenden Ära Merkel wirklich alles auf Innovationfreude in Sachen Klimaschutz gesetzt haben, die ja gerade im Wahlkampf so offensiv wiederentdeckt wurde.

„Die Kommunikation müsste auf lokaler Ebene verbessert werden.“

Mit Ereignissen wie dem Hochwasser in Rheinland-Pfalz und NRW sind die Folgen des Klimawandels direkt vor unserer Haustür angekommen. Wie kann es da sein, dass die existenzielle Notwendigkeit der Energiewende immer noch betont und kommunikativ hervorgehoben werden muss?

Aufmerksamkeit in unseren Mediengesellschaften lässt sich linear schlecht beschreiben. Große Ereignisse müssen keine großen Wirkungen haben, sondern können, gerade in Zeiten des Wahlkampfs, in die die Hochwasserereignisse im Ahrtal und Umgebung gefallen sind, an Sichtbarkeit verlieren, zur Nebensache werden. Zumal diese Hochwasserereignisse neben dem Klimaschutzdiskurs immer auch den Anpassungsdiskurs laut werden lassen. Dieser Diskurs der Anpassung an den Klimawandel ist ganz ohne Zweifel nötig, aber er nimmt immer auch Stimmen mit auf, die sagen, dass wenig oder nichts mehr zu retten ist, weshalb in erster Linie hochwassergerecht oder hitzebeständig gebaut werden müsse (Stichwort Resilienz). Wenn derart von Anpassung die Rede ist, ist nicht von Energiewende die Rede. Die passiert auf einer anderen Baustelle, hier geht es um Mitigation, um Abmilderung der Erwärmung, also um genuinen Klimaschutz. Aber dennoch, ich denke schon, dass ein Bewusstseins-, ein Mentalitätswandel zu beobachten ist. Klimaschutz und Energiewende sind wichtige Anliegen demokratischer Öffentlichkeit, das sagen ja auch entsprechende Umfragen. Und hier lässt sich durchaus eine Verdichtung beobachten, für die vor allem die junge Generation und ihre Bewegungen sorgen. Die ersten kritischen Punkte sind erreicht, die werden sich nicht mehr vertrösten lassen: ‚Die sind hier, die sind laut…‘ Und das nicht zuletzt weil ökologische Krisen, wir sollten durchaus die Pandemie dazu zählen, zur Lebensrealität einer*s heute Zwanzigjährigen zählen.

Wie müsste eine Kommunikation, Ihrer Ansicht nach, gestaltet sein, um der Durchsetzung der Energiewende zu helfen? Welche Narrative, welches Storytelling müssten entwickelt werden?

Ich bin mir sehr unsicher, ob es Sinn macht, solche Narrative ausschließlich von der Last des Problems, von der Krise her zu entwickeln. Wir alle wissen um die Gefahren der Klimakrise. Wir wissen, dass unser Ökosystem enorm sensibel und dass der Einfluss des Menschen fatal ist. Diese Fakten sind nicht zu bezweifeln, aber sie sind inflationär und entsprechend wenig wirksam. Viel sinnvoller als nochmals die Gefahren zu wiederholen, also zu versuchen, mit Ängsten etwas zu erreichen, scheint es mir, die Chancen und die Gestaltungsmöglichkeiten der ökologischen Transformation zu betonen.

Das Modell für Narrative könnte so ausschauen, dass man zunächst einmal in aller Deutlichkeit klar macht, dass wir dringend handeln müssen, das ist der Status Quo. Dann geht es darum, sich umgehend den Chancen zuzuwenden, die mit der Transformation einhergehen: Klimaschutz bedeutet Chancen für mehr Lebensqualität in den Regionen, Chancen neuer Arbeits- und Berufsfelder gerade in den Strukturwandelgebieten. Narrative können hier Projektgeist entfachen und gemeinschaftsbildend wirken. Und sie können ein definitives Sinnangebot unterbreiten, das darin besteht, ein sauberes zukunftsfähiges Energiesystem zu unterstützen und vielleicht sogar aktiver Teil des Umbaus zu sein (als bewusster netzdienliche*r Konsument*in oder Prosumer). Die erneuerbaren Energien bilden ja feingliedrige dezentrale Infrastrukturen aus, da wird es leichter, ein aktiver oder smarter Teil des Netzes zu werden.

„Narrative können Projektgeist entfachen und gemeinschaftsbildend wirken.“

Historische Energie-Innovationen wie die Dampfmaschine oder die Dampflokomotive kamen mit einer je eigenen Bildwelt daher. Mit welchen Bildwelten müssten Solar- oder Windenergie oder die gesamte Energiewende verknüpft werden?

Die Bilder, die mit den alten Energieinnovationen verknüpft waren, folgten dabei, wie mir scheint ausnahmslos, dem Schema gelingender Naturbeherrschung. In den Erzählungen, etwa in vielen Filmen und Romanen, tritt meistens ein*e heroische*r Ingenieur*in auf, der*die die Naturkräfte bezwingt und für die Gesellschaft nutzbar macht. Dieses Beherrschungsmotiv ist im Angesicht der Klimakatastrophe weitgehend zu den Akten gelegt oder ins Museum gestellt worden. Von der Idee der Naturbeherrschung sind wir zu einer Idee der Folgenarmut oder sogar Naturdienlichkeit gewechselt. Hier liegt auch das Potenzial, fortan von der Energie zu erzählen. Notwendig sind Bilder sanfter Modernisierung, die zum Ausdruck bringen, dass wir einbezogen sind in die Energieräume und Stoffkreisläufe. Bilder, die offen damit umgehen, dass wir einerseits ökologisch abhängig und vulnerabel sind, aber andererseits die Gabe der Erfindung haben, dass wir lernen können und auch etwas gelernt haben.
Und das wird ja auch schon gemacht: Was die Bildwelten der erneuerbaren Energien angeht, so zeigt sich, dass die großen, für sich selbst stehenden Symbole des Industriezeitalters gerade abgelöst werden durch etwas, was man vielleicht versuchsweise als „narrative Sektorkopplung“ bezeichnen kann: Die Energiewende und ihre Technologien erscheinen als vorzeigbare Komponenten in der weitgefassten Bildergalerie der ökologischen Transformation. Sie sind hier nicht notwendig die Hauptdarsteller, aber sie gehören zu den verbreiteten Vorstellungen und Bildern intakter Land- und Gemeinschaften, sie gehören zu den Erzählungen unserer zukünftigen Mobilität und zum innovativen Bauen. Wenn es heute Technikeuphorie gibt, ist sie definitiv grün und kann dann sogar etwas idyllisches haben.

Auf welchen Ebenen müssten die Rezipient*innen solcher Energie-Narrative angesprochen werden? Welche Werte müssten vermittelt werden?

Es gibt die Ebene der Ratio: Es ist sinnvoll ein gewisses Grundwissen über das erneuerbare Energiesystem und Klimaschutz zu vermitteln. Also durch Bildung. Dann gibt es die Ebene der Energiepraktiken, auch hier geht es um Lernen, zum Beispiel um Möglichkeiten des Energiesparens. Ganz simpel: Tür zu – Licht aus. In Zukunft vielleicht: Sonne scheint – Auto laden.

„Wie werden die erneuerbaren Energien cool, erhalten Appeal und Eleganz? Da tut sich längst viel, das zeigt am plakativsten die Werbung.“

Die dritte Ebene wäre die Emotion, das ist sicher die anspruchsvollste Ebene: Wie werden die erneuerbaren Energien cool, erhalten Appeal und Eleganz? Aber auch da tut sich längst viel, das zeigt am plakativsten natürlich die Werbung: Wenn sie etwa Instagram nutzen und der Algorithmus sie entsprechend erfasst hat, erhalten sie ständig Werbung von Start-ups, die betonen, nur mit erneuerbaren Energien und CO2-frei zu produzieren, seien es T-Shirts, Kleider, Sneakers, Essen oder Wein. Auch hier sind die erneuerbaren Energien Teil eines benachbarten Bereichs geworden und damit auch schon Teil von Lebensstilen und ästhetischen Entscheidungen. Und, na ja, sie werden zur Legitimation von weiterem Konsum…

Kennen Sie Beispiele von Kommunikationskampagnen von Energieprojekten, die Ihrer Ansicht nach gut funktioniert haben?

Ich finde es toll, wenn erneuerbare Energien weniger Konsum inspirieren, als soziale Energien freisetzen: Zum Beispiel Energiedörfer oder Energiekommunen, also Energieprojekte, die der dezentralen Struktur des neuen Energiesystems folgen. Zum Beispiel kann ein Wind- oder Solarpark, der eine Reihe von Gemeinden oder eine Stadt mit Strom versorgt, zu einer gemeinsamen Erzählung beitragen. In einem solchen Energieprojekt bildet sich dann eine Gemeinschaft ab. Der oder die Einzelne, ist davon ein Teil. Er oder sie trägt zum Gelingen eines überschaubaren und greifbaren Projekts bei und ist zugleich Element einer großen Erzählung von einer klimaneutralen Zukunft. Da gibt es in allen Bundesländern gute Beispiele.
Die Hoffnung ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien so zum Ausganspunkt einer tief gehenden Identifikation werden kann. Darin liegt vielleicht auch eine Chance für die Bundesländer und Regionen der Braunkohle-Transformation. In Sachsen-Anhalt, wo ich lebe, las man lange Zeit den wirklich fragwürdigen Slogan „Land der Frühaufsteher“ auf Schildern an der Autobahn. Das könnte man mal ersetzen durch „Land von Wind und Sonne“ oder besser noch: „Land der Energieenthusiast*innen“ (lacht).

Könnte ein spektakuläres Projekt wie das Dutch Windwheel helfen, die notwendigen positiven Bilder zu generieren?

Interessant daran ist, dass es ein solcher Sektorenmix ist: Ein Kraftwerk für Wind und Sonne, in dem ich wohnen, schlafen, essen kann… Ansonsten kommt mir dieses Projekt, das ja noch in Planung ist, ein wenig vor, wie das Atomium des solaren Zeitalters. Und wie es sich gehört, ist es sogar höher, ganze 72 Meter. Das Windwheel wird 174 Meter hoch sein, das Atomium misst nur 102 Meter. Meine Zweifel an diesen gigantischen Formaten habe ich schon erklärt, aber dennoch: Wieso nicht, vieles ist Experiment und braucht Offenheit…

„Sei ein Teil des ökologischen Umbaus!“
Duzan Doepel – Dutch Windwheel, Rotterdamm

Es zeigt sich vielleicht noch ein zweiter Punkt an Projekten wie diesen, nämlich dass die Architektur die Leitdisziplin der ökologischen Transformation ist und hier auch die Bebilderung der Erneuerbaren mit übernimmt. Es geht nicht nur um Bilder und Narrative, sondern um die Gestaltung von Umgebungen, Lebensräumen und neuen Welten. Das sieht man gerade prominent in den Programmen der Europäischen Kommission zum Green New Deal, die jetzt ein Bauhaus 2.0, das sogenannte New European Bauhaus aufgelegt haben. Intention ist es dabei, die ökologische Transformation am Gesamtkunstwerk des Bauhauses zu orientieren mit dem Ziel, eine Einheit von ökologischen, sozialen, technischen und ästhetischen Komponenten in der Breite zu realisieren.

Prof. Dr. Ingo Uhlig lehrt am Institute for German Studies der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und war Mitarbeiter beim Projekt „WindNODE. Das Schaufenster für intelligente Energie aus dem Nordosten Deutschlands“. Gerade erschienen ist ein von ihm mitherausgegebenes Buch über die Zukunft unseres Stromsystems: www.stromnetzfluss.de Anfang 2022 folgt ein Buch, das der Frage nachgeht, wie die Literatur von Energieumbrüchen und Energiewenden erzählt. Außerdem befasst er sich mit der Frage, wie die bildende Kunst mit dem Klimawandel umgeht; eine Materialsammlung dazu gibt’s hier

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