Interview mit Dr. Johannes Wimmer
5 Fragen an Dr. Wimmer

Der gestiegene Medienkonsum während der Pandemie kann sich auf unsere mentale Gesundheit auswirken. Worauf wir besser achten sollten, erläutert Dr. Wimmer im Gespräch mit HuF

Mit seiner NDR-Fernsehsendung Wissen ist die beste Medizin steht Dr. Johannes Wimmer für einen gelungenen und nahbaren Wissenstransfer zwischen Medizin und Gesellschaft. Darüber hinaus behandelte und beriet er als Stabsarzt der Marine im Psychotraumazentrum des Bundeswehrkrankenhauses Menschen, die oft unter Dauerbelastung stehen. Nach mehr als einem Jahr Pandemie und dem begleitenden medialen und sozialen Grundrauschen, fragen wir also am besten jemanden, der sich damit auskennt.

Dr. Wimmer, wenn Sie einen Beipackzettel zum Medienkonsum während der Pandemie schreiben müssten, was stünde darin?

Regelmäßiger oder übermäßiger Konsum kann zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Gemütsverstimmungen, Perspektivlosigkeit, bis hin zu Aggressionen führen. Achten Sie darauf, zu welcher Tageszeit Sie Medien konsumieren. Sollten Sie einmal zu viel Corona-News und Pandemiezahlen konsumiert haben, wenden Sie eine Entspannungsübung an. Tauschen Sie sich über die Nachrichten mit gut informierten, aber gelassenen Menschen aus und achten Sie auch bei diesen auf die oben angeführten Nebenwirkungen.

Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihre Verantwortung in der Gesellschaft während der Epidemie noch erhöht hat?

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Verantwortung eines jeden von uns in dieser Pandemie erhöht hat, denn es gehört bei einer Gesellschaft nun mal dazu, aufeinander zu achten. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir kontrollieren sollen, ob unser Nachbar brav alle Hygiene- und Abstandsregeln befolgt. Vielmehr bedeutet es zu schauen und auch aktiv nachzufragen, wie es unseren Mitmenschen aktuell wirklich geht. Ein Lächeln oder ein paar aufmunternde Worte können für jemanden schon einen großen Unterschied machen. Was mich persönlich angeht, so habe ich es schon immer als meine Aufgabe gesehen den Menschen die Medizin einfach verständlich zu erklären. Aufklärung und Wissen nimmt auch die Angst vor dem Unbekannten, das ist jetzt wichtiger als jemals zuvor.

Gespräche über Corona werden schnell emotional. Inwieweit macht sich dies auch in den Reaktionen und Kommentaren auf Ihre Beiträge in Fernsehen und in Social-Media bemerkbar?

Grundsätzlich finde ich es gar nicht schlecht, wenn Menschen emotional auf ein Thema reagieren. Denn das zeigt ja, dass es ihnen wirklich wichtig ist. Sowas merke ich natürlich auch in den Kommentaren unter meinen Youtube Videos oder auf Social Media. Mich freut es aber, wenn die Menschen dann in den Austausch gehen und sich gegenseitig ihren Standpunkt erklären. In den Kommentaren, die ich lese, ist es selten so, dass eine Diskussion völlig ausweglos erscheint. Man muss aber auch immer ganz klar für sich entscheiden, ob man die Kraft hat, sich auf eine solche Diskussion einzulassen und sollte kritisch hinterfragen, ob es sich beim Gegenüber auch um einen um einen Menschen mit dem Bedürfnis sich auszutauschen handelt oder um jemanden der sich einfach im Internet streiten will. Letzteres hat dann leider wenig Sinn.

Mediziner stehen vor der Herausforderung, die Arzt-Patienten- Kommunikation z.B. zum Thema Corona-Impfung zu meistern. Wie kann es gelingen, Patienten abzuholen und neutral zu informieren?

Ich denke es ist wichtig, wie man etwas sagt. Der erhobene Zeigefinger bringt da recht wenig. Viele Menschen fühlen sich aktuell allein gelassen, schlimmer noch, sie haben Angst auch mal eine kritische Frage zu äußern und befürchten dafür direkt den Leugner – Stempel aufgedrückt zu bekommen. In Einzelgesprächen gab es immer wieder Momente, in denen ich begeistert war, wie Ärztinnen und Ärzte, Politikerinnen und Politiker auf ihr Gegenüber eingegangen sind. Sie haben diskutiert, nachgefragt und auch mal ganz ruhig zugehört. Dieser behutsame Umgang miteinander und die offene Kommunikation ist beim Impfthema essenziell. Gerade bei den unzähligen Pressekonferenzen dazu darf man niemals vergessen, wer das eigentliche Publikum ist. Das ist eben nicht die Fachpresse oder irgendwelche Experten. Im besten Fall richtet sich die Botschaft leicht verständlich an jeden einzelnen Bürger, denn jeder einzelne entscheidet am Ende selbst, ob er oder sie sich impfen lässt oder nicht.

Mit der Pandemie hat sich der Trend zur digitalen Sprechstunde verstärkt. Welche Chancen und welche Risiken sehen Sie hier?

Die digitale Sprechstunde ist ja nun längst überfällig. Wer aber glaubt, dass damit alle Probleme des Gesundheitssystems gelöst wären, der hat nicht verstanden, dass diese Art der Sprechstunde für den Arzt oder die Ärztin kaum eine Zeitersparnis darstellt. Selbst wenn alle Patientenkontakte morgen digital stattfinden, dann haben Ärzte weiterhin genauso wenig Zeit wie vorher. Die Patienten warten dann zwar nicht mehr ewig im Wartezimmer, sondern Zuhause auf ihren Termin, aber wo soll denn der Mehrwert für Arzt und Patienten sein? Wir brauchen daher neue Mittel und Wege, um früher zu erkennen, wann und ob jemand zum Arzt muss. Statt der fünf überflüssigen Arztbesuche, braucht es vielleicht nur den einen wichtigen. Wir brauchen Wege, um unnötige Arztkontakte zu reduzieren. Die Verlegung der Sprechstunde von der Praxis auf den Bildschirm allein reicht da bei weitem nicht aus.

Hoffen wir also zusammen auf möglichst wenige Arztkontakte, vielen Dank für das Gespräch Dr. Wimmer!

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