10. Mai 2018
„Anfangs war ich kein Journalist, sondern politischer Aktivist“

In einer über 40 Jahre langen Journalistenkarriere kommt so manches zusammen – darunter auch Schräges und Erstaunliches. Deshalb machen wir erstmals das Archiv von Michael Hopp, das nach und nach alle Texte enthalten soll, digital zugänglich. Einer der ältesten Texte im Archiv, ist „Kommunen – Inseln des Sozialismus?“, erschienen 1975 in „trotzdem“. Wir haben Michael mit seinem eigenen Text konfrontiert und ihn gefragt, wie er zum Journalismus kam

Interview: Sabrina Waffenschmidt

Den Text „Kommunen – Inseln des Sozialismus“ hast Du mit 20 Jahren geschrieben. Er ist einer der ältesten Texte im neuen Hopp-Textarchiv. Wie geht es Dir, wenn du diesen Text liest? Bist Du noch einverstanden mit dem Geschriebenen?

Ich kann das heute kaum mehr lesen. Dieser Versuch, die Dinge auf überdogmatische Art ins rechte Licht zu rücken. Wobei man merkt, dass ich schreiberisch schon sehr beeinflusst war von Günther Nenning, einem österreichischen Journalist und meinem Mentor. Auch diesen Stil kann man heute kaum mehr lesen. Immer dieses Behaupten von Dingen. Dieser belehrende Tonfall, der umso skurriler ist, wenn er von jemandem wie mir, also damals so einem jungen Dreikäsehoch kommt. Altklug bis zum Gehtnichtmehr.
Ich habe 1973 begonnen unter Günther Nenning bei der „Neuen Freien Presse“ zu arbeiten, ein für damalige Verhältnisse recht antiautoritäres Comic- und Jugendmagazin, und habe zudem regelmäßig frei für „trotzdem“ geschrieben, dem Zentralorgan der sozialistischen Jugend. Und dieser Artikel war eben ein Versuch, dem sozialdemokratischen Milieu etwas radikalere, aus der Subkultur kommende Themen zu vermitteln. Ich bin selber recht früh, mit 17, zu Hause ausgezogen und habe in Wohngemeinschaften und Kommunen gewohnt. Und wir haben uns oft gefragt, was denn nun das richtige Modell sei: Wohngemeinschaft oder Kommune?

Der Text ist zum einen natürlich politisch, zum anderen aber auch aus einem recht persönlichen Blickwinkel geschrieben. Auch heute schreibst Du gerne aus Deiner persönlichen Perspektive, wenn es der Rahmen zulässt. Ist das ein Kriterium, das Dir in Deinen Texten besonders wichtig war – und ist?

Für diesen Text gilt das zwar nicht, aber ich habe schon relativ früh begonnen, mit der ersten Person zu arbeiten. Aber auch nur, weil ich das Glück hatte, dass das in dem Umfeld, in dem ich mich bewegt habe, möglich war. Im Mainstream-Journalismus war das nur wenigen Kolumnisten und Feuilletonisten vorbehalten und ansonsten komplett unmöglich. Man muss sagen, dass die Ich-Form einfach leichter ist. Ich schreibe mal auf, was ich wahrnehme – das ist auf jeden Fall mal ein Anfang.
Ich erinnere mich, dass ich 1973 meinen ersten großen politischen Artikel geschrieben habe, über Chile, kurz nach dem Putsch und nachdem Salvador Allende verjagt wurde. Ich bin ganz stolz mit dem Artikel zu meinem Chefredakteur Günther Nenning gelaufen, der hat sich das durchgelesen und offenbar kein Wort verstanden. Der Text war viel zu kompliziert, zu abgehoben und wollte zu viel. Als er mich fragte, wie ich das eigentlich meinte, habe ich ihm das so erklärt, wie ich das verstanden habe – und er hat mich gefragt: Und warum schreibst du es nicht genau so?
Das hat mir damals so einen Anstoß in Richtung eines anderen Schreibens gegeben und von da war es nicht mehr weit zum Ich-Schreiben. Erst Mitte der 80er-Jahre wurde das dann mit dem New Journalism in den USA kultiviert. Ich hatte danach aber wieder eine Phase, in der ich versucht habe, dieses Ich wieder zurückzudrängen, weil es natürlich zu einer gewissen Eitelkeit verleitet. Aber grundsätzlich finde ich die Ich-Form unverzichtbar. Heute im Content Marketing ist das eher selten möglich, aber wenn es gut gemacht ist, ist es immer ein Gewinn.

Dein Lebenslauf ist ab einem gewissen Zeitpunkt relativ bekannt, doch wie hat Deine journalistische Karriere begonnen? Wie kamst du überhaupt darauf, Journalist zu werden?

Die ersten Jahre war ich eigentlich kein Journalist, sondern politischer Aktivist. Und das Schreiben war Mittel zum Zweck. Ich wollte ja eigentlich zunächst Lyriker werden und habe damals auch Gedichte geschrieben und Lesungen gehalten. Und zu diesem dichterischen Engagement kam nach und nach ein politisches dazu. 1973 bin ich das erste Mal mit Medien in Kontakt gekommen und wurde Volontär, Lehrling oder irgendwie alles zusammen bei der „Neuen Freien Presse“. Und diese Arbeit war alleine dazu da, politische Inhalte zu formulieren und unter die Leute zu bringen.
Der Gedanke an kommerzielle Zeitschriften war damals noch ganz weit weg. Ende der 70er ist dort dann alles den Bach runtergegangen und ich bin zu der, wieder ausgesprochen linken, Jugendsendung „Ohne Maulkorb“ im ORF Fernsehen und danach zum „Rennbahn-Express“, sozusagen die österreichische „Bravo“, gegangen. Das waren die ersten Schritte ins kommerzielle Arbeiten, obwohl ich auch noch dort meine super-engagierten, antiautoritären Reportagen gemacht habe …

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