27. Juni 2019
„Bangemachen gilt nicht“

Dr. Andreas Siefke im Gespräch mit HuF-Chef Michael Hopp über die Chancen von kleinen Agenturen im Content Marketing

Andreas Siefke ist Vorsitzender des Content Marketing Forum(CMF), Europas größtem Content-Marketing-Verband mit mehr als 100 Mitgliedsagenturen. Er war Geschäftsführer bei Hoffmann und Campe Corporate PublishingKircher Burkhardt (C3)Bissinger[+]und zuletzt KNSK. Im Juni 2018 wurde Siefke Partner und Geschäftsführer bei PRH Hamburg Kommunikation.

HuF gewann im Jahr 2016 beim vom BCM ausgerichteten „Best Of Content Marketing Award“ eine Goldmedaille für die Broschüre „We Love You“

Wie ist die Erfahrung beim „Best Of Content Marketing Award“ über die Jahre: Wer ist kreativ besser, die größeren oder die kleineren Agenturen?

Das Feld ist erfreulich breit. Natürlich gewinnen Dickschiffe wie territory oder C3 ihre Goldpreise. Aber in diesem Jahr hatten wir zum Beispiel 26 Agenturen, die mindestens einmal Gold gewonnen haben. In der Vergangenheit waren das auch schon über 30. Da sind schon viele „Mittelständler“ dabei. Nein, die Großen haben die guten Ideen nicht für sich alleine gepachtet.

Wie ist denn „mittelständisch“ definiert?

Es gibt jetzt keine von allen gemeinsam akzeptierte Definition. Aber gefühlt, wenn Du mich jetzt fragst, sind das alle zwischen 30 und 50, vielleicht bis zu 80 Mitarbeitern hoch. Und sie sind häufig inhabergeführt.

Das Feld der Bewerber ist jetzt sehr divers, könnte man sagen. Lassen sich da noch gemeinsame Maßstäbe finden?

Ja, das sind jetzt schon andere Player als früher. Die Verlage sind nicht mehr in der Dominanz wie früher vertreten. Mit der Umbenennung und Neupositionierung zum CMF 2015 haben sich neue Agenturen für uns zu interessieren begonnen, Mediaagenturen, reine Digitalagenturen. Die Community ist heute deutlich bunter. Das ist schön von den Themen her, aber es nicht immer ganz einfach, eine gemeinsame Marschrichtung zu finden.

Wie ich es sehe, muss sich Content Marketing nach zwei Seiten abgrenzen, zur alten Printwelt auf der einen und zum reinen Online Marketing auf der anderen …

Es gibt nach wie vor keine einheitliche, von allen akzeptierte Definition von Content Marketing. Jeder hat seine eigene, immer auch davon gefärbt, woher er kommt. Die Werber definieren es werblicher, wir fassen es redaktioneller auf. Die PR-Leute haben nochmal einen anderen Blick drauf und der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hat den Begriff lange rein digital interpretiert, was ich nie geteilt habe. Es gibt ja keine seriöse Erklärung dafür, warum Content Marketing nicht auch auf Print stattfinden kann.

Wie wirkt in diesem Zusammenhang die Nähe zu OMR (Online Marketing Rockstars), die Ihr dieses Jahr mit dem BCM bewusst gesucht habt? Der bisherige Kongress fand dieses Jahr im Rahmen des OMR-Festivals in der Messe statt.

Wir haben den Award jetzt zum 17. Mal veranstaltet, und davon haben wir 16 Mal den Kongress selber organisiert, meist mit sehr guten Speakern, wie ich finde. Aber irgendwann sind wir mit dem Format und der Teilnehmerzahl nicht mehr weitergekommen. Da haben wir uns nach einer Partnerschaft umgesehen – und unter anderen mit der OMR gesprochen, von Anfang an sehr partnerschaftlich. Philipp Westermeyer, der ja auch bei Euch im CONTENT HOUSE SALON war, ist einfach ein guter Typ. Die Kollegen hatte am Anfang ein bisschen Angst, dass es auf dem Festival auf einmal einen Slot hat, in dem Print nach vorne gestellt wird. Nein, sagten wir, wir stellen Cases vor, wir stellen Themen vor und der Kanal kommt erst danach zum Vorschein – aber dann kann es halt auch sein, dass Print mit eine Rolle spielt. Das fanden die aber ganz spannend.

Und wie hat das Aufeinandertreffen der zwei „Kulturen“ funktioniert?

Für uns war das ein Riesenerfolg. Wir hatten am ersten Tag der OMR auf der Expo Stage einen Slot mit über 2000 Teilnehmern – und damit das Fünffache von dem, was wir auf dem Kongress früher hatten. Auch unsere Masterclass, zu der wir 200 Teilnehmer exklusiv zulassen konnten, war mit 700 Anmeldungen erfreulich überbucht. Ich fand es sehr inspirierend und unser Thema fügte sich schön organisch ein.

 

Die Annäherungen hat ja auch kulturelle Aspekte …

Keine Frage, wir müssen das Thema Content Marketing auch ein Stück weit verjüngen. Die Ansprechpartner bei den Kunden werden ja auch immer jünger. Und wir finden auf so einem Festival auch als Arbeitgeber ein gutes Umfeld, um die Content-Marketing-Agenturen zu präsentieren und junge Leute für das Thema zu interessieren.

Wir machen bei HuF Content House die Erfahrung, dass sich gerade mittelständische Firmen oft über das Thema Content Marketing im Sinne von Themen-getriebener Kommunikation gut ansprechen lassen, am Ende aber doch eher Online Marketing suchen. Lässt sich das verallgemeinern?

 Will der Kunde eine Executive Plattform mit Premiuminhalten – oder ist er besser bei einer Agentur untergebracht, wo er halb maschinell hergestellten Content auf Chatbot-Chat-Niveau bekommt. Da werden die Grenzen unschärfer. Online Marketing ist ja vom Namen her schon kanalbesetzt und findet definitiv nur in der digitalen Welt statt. Aber das ist nicht unsere Vorstellung von Content Marketing. Wir sagen, Inhalte, die wir erstellen, haben einen journalistisch-redaktionellen Anspruch. Und dann entscheide ich erst, auf welchem Kanal ich den Konsumenten am besten erreiche. Während Online Marketing bedeutet, dass man auf Print oder alles, was Offline passieren kann, von vornherein verzichtet.

Allerdings kommen wir nicht darum herum, dass Content-Marketing-Agenturen Elemente und Know-how des Online Marketing integrieren müssen. Und wie gut das gelingt, ist auch eine Frage der Technologie. Stichwort Content-Management-Systeme bis hin zu KI. Wie können sich da kleine Agenturen behaupten?

Bangemachen gilt nicht! Selbst die Großen der Branche verfügen ja in der Regel nicht über eigene, exklusive Technik. Aber es stimmt, dass die Diskussion über Content Marketing heute oft sehr technisch geführt wird. Wenn du zur CMCX nach München fährst, dann siehst du zuerst viele Technik-Anbieter. Bei uns sind es eher die inhaltlichen Anbieter und Themen, die wir präsentieren. Du kannst aus der Technik alleine schwer dauerhaft einen Vorteil ziehen. Vor zehn, 15 Jahren waren zum Beispiel Redaktionssysteme ein Riesenthema. Und heute? Eine Handvoll relevanter Systeme – und mit denen arbeiten alle am Ende des Tages. Das ist kein Differenzierungsmerkmal mehr. Und dasselbe gilt „in the long run“ auch sowohl für Mobile- als auch für Desktop-Technologien. Differenzieren kannst du eher über Content.

 

Die Nachfrage nach automatisierter Ausspielung von Content besteht ja auch auf Kundenseite.

Das stimmt, es gibt fast keine Ausschreibung mehr, in der Technik keine Rolle spielt. Ich glaube, da liegt häufig die Wahrheit in der Mitte, mal mehr rechts, mal mehr links – aber das ist schon seit 20 Jahren so. Wir haben zu meiner Verlagszeit auch große Erfolge gefeiert, ohne eine eigene Druckerei oder einen eigenen Lettershop zu haben. Man muss die richtigen Partner haben – und das gilt für mich in der Technik ganz besonders.

 

Wie hoch ist heute die Nachfrage nach Premium-Content?

Ich habe den Eindruck, wir, die CMF-Mitglieder, werden in erster Linie dann angesprochen, wenn Unternehmen ein inhaltliches Thema haben. Und dann wird im zweiten Schritt gefragt, mit welcher Technik das gemacht wird – und da muss man dann auch eine Antwort drauf haben. Bei anderen Jobs, die in dem Bereich Hardcore-Online-Marketing unterwegs sind, ist die technische Lösung weiter vorne. Aber eine Agentur wie unsere wird eher bei Jobs eingeladen werden, bei denen der Inhalt eine zentrale Rolle spielt.

Wo liegen die Chancen für die kleineren Agenturen?

Ich bin vor ein paar Wochen über die Hannover Messe gegangen. Mein lieber Scholli, es gibt doch noch so viele spannende Player, die überhaupt keine Agenturen haben, weil sie jetzt erst anfangen, sich mit dem Thema Content-Marketing zu beschäftigen! Da bist du als inhabergeführte Agentur mit der Aussage „Ich bin der Geschäftsführer und ich bin auch der Sie betreuende Partner in Zukunft“ doch gut aufgestellt!

 

Lassen sich auch besonders relevante Genres benennen?

Insbesondere das Thema „Mitarbeiterkommunikation“ spielt im Moment eine große Rolle. Da hat man als kleinerer Player durchaus eine Chance, wenn man mit dem Ansatz antritt, die Mitarbeiterkommunikation ins digitale Zeitalter zu führen. Da sind die Gewinner nicht immer die Großen. Und ich glaube, dass man sich auf ein bestimmtes Segment beschränken sollte. Bei PRH sagen wir zum Beispiel B2C-Anfragen in der Regel ab und machen im Schwerpunkt nur B2B. Wir halten uns auch raus, wenn es um reine Social-Media-Themen geht. E-Commerce auch nicht, das können andere besser.

Gibt es einen Trend zu Partnerschaften am Agenturmarkt?

Ja, ich denke, es wird immer mehr Kooperationen geben. Wenn man die Branche aufmerksam beobachtet, bekommt man ja mit, wer mit wem in den Pitch geht. Aber man darf den Kreis auch nicht zu groß machen. Aber sich einen starken Partner zu suchen, der etwas besser kann als man selber ohne sich dabei zu kannibalisieren – ich glaube, das wird uns noch eine Weile begleiten.

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