9. Februar 2016
Der eierlegende Wollmilchsau-Journalist

Michael Hopp über die Notwendigkeit crossmedialer Fähigkeiten bei Journalisten

Müssen Journalisten heutzutage alle Kanäle bedienen können?
MH: Klar frage mich manchmal, ob es den eierlegenden-Wollmilchsau-Journalisten je wirklich geben kann. Ich bin ehrlich gesagt heute noch froh, nach all den Jahren, wenn ich einen halbwegs ordentlichen Text abgeben kann. Es ist doch immer wieder eine Herausforderung. Ob man dann auch gleich rausspaziert und ein ebenso tolles Video dreht? Ich weiß es nicht, aber es wäre toll! Mit unseren Möglichkeiten wachsen ja auch unsere Fähigkeiten. Ob man in einer hohen Qualität alle Medienprodukte machen kann, da bin ich mir nicht sicher. Es ist ein bisschen wie mit dem „Wir schaffen das“-Spruch von Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage. Als sie dafür kritisiert wurde, fragte sie „Was wäre denn die Alternative? Soll ich denn sagen, wir schaffen es nicht?“ Wir Journalisten können doch auch nicht sagen, wir schaffen das nicht.

Haben die sogenannten Digital Natives denn einen Vorteil bei den veränderten Arbeitsweisen?
Ich bin überzeugt, dass es auch den jungen Leuten nicht nachgeschmissen wird, crossmedial zu arbeiten, sondern dass sie sich das auch erst aneignen müssen. Mein persönlicher Eindruck ist, daß sie da von den Universitäten nicht allzuviel mitbringen. Wenn ich mir zum Beispiel die internationale Medienmarke VICE ansehe, habe ich schon das Gefühl, dass da so eine Art neuer Reportertypus hervorgebracht wurde, der alle Kanäle ganz souverän bedient, von der Printreportage über das Video bis zum Facebook-Post und zum Instagram-Stream. Wenn ich jetzt aber ganz streng auf VICE gucke, würde ich sagen, dass sie sich nicht mit einer umwerfenden Textqualität hervortun: Sie sind zwar wie früher meine Generation mit WIENER und TEMPO krachig, laut und haben tolle Ideen, aber ob da so eine ehrfurchtgebietende Textkultur herrscht, das weiß ich gar nicht.

Welche Einstellung zum digitalen Wandel möchten sie den Teilnehmern vermitteln?
MH: Ich glaube, dass man Dinge nur gut macht, wenn man sie gern macht. Ich denke man muss den Beruf lieben und wirklich wollen und da sich der Beruf verändert, muss man sich mit ihm verändern. Man kann schließlich auch nicht zum Partner sagen, wie du vor fünf Jahren warst, da fand ich dich ganz toll aber jetzt … (lacht). Man muss Ja sagen zu diesen Herausforderungen. Diese Herausforderungen sind allgegenwärtig und unglaublich umfassend. Da ist kein kleines Thema am Rande, sondern das verändert das gesamte Berufsbild, bis hin zur Lebensauffassung: Man muss sich zum Beispiel damit abfinden, dass die Berufsbiografien eines Journalisten längere Phasen der Selbstständigkeit beinhalten. Wenn man es positiv sieht, bieten diese digitalen Veränderungen aber auch viel bessere Voraussetzungen für die Selbstständigkeit. Früher hast du dich beworben und wenn du nicht genommen wurdest, dann war es das eigentlich: Du konntest nichts veröffentlichen. Heute nimmst du den Text, stellst ihn ins Internet, professionalisierst deinen Auftritt und bist dein eigener Publisher. Du musst niemanden mehr fragen, du bist völlig frei. Das müssen wir nutzen. Mit der Freiheit geht natürlich auch einher, dass man viele Dinge für sich selbst beantworten muss und, dass man Verantwortung für sich selbst übernehmen muss.

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