Chatbots, Sprachassistenten, VR, Content Mining – neue Technologien, basierend auf Big Data und KI, halten Einzug in die Medienwelt und finden zunehmend auch Verwendung im Content Marketing. Nyasha Busse von nextMedia.Hamburg und unser Chefredakteur Michael Hopp haben Unternehmen aus Hamburg eingeladen, die bei der Entwicklung und Nutzung dieser Innovation vorne mit dabei sind – und damit auch den Medienstandort Hamburg stärken.
„Disruption! Crazy! Verrückt!“
Text: Sabrina Waffenschmidt
Kaum wird sein Name genannt, springt Nick Sohnemann vor das Publikum. Diese Vortragsart, mit lauter Stimme, großen Schritten und noch größerer Begeisterung den ganzen Raum zu bespielen, kennt man sonst vor allem von den Amerikaner*innen. Es wirkt, als wäre Sohnemann größere Bühnen gewohnt. Spannend, ihn in diesem eher intimen Rahmen unseres Content House Salons zu erleben. Überhaupt wird es spannend, immerhin sprechen wir über die Zukunft. Und auch über die Zukunft der Stadt Hamburg.
Innovation als wichtigste Kernkompetenz für Content-Experten
Nick Sohnemann kann die Zukunft kaum erwarten. Er will vorne mit dabei sein und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Innovationskultur in Europa positiv zu beeinflussen. Mit seiner Hamburger Innovationsagentur Future Candy ist er deshalb international auf der Jagd nach State-of-the-art-Methoden für erfolgreiche Innovationen und betreut Kunden wie Vodafone, Volkswagen und Deutsche Bank in der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Hyperloops, Roboter, künstliche Intelligenz – das ist „Disruption! Crazy! Verrückt!“
Als er das Publikum fragt, wer einen Google Assistenten oder Alexa zu Hause hat, geht eine schüchterne Hand nach oben und Sohnemann ist für einen Moment sprachlos. „Marken finden mehr und mehr auf solchen Plattformen statt. Das ist die neue Content-Welt. Doch was brauchen Alexa und Co. in Zukunft für Skills? Das ist eure Challenge als Content-Experten!“, ruft Sohnemann. „Innovation ist die wichtigste Kernkompetenz, egal ob für Content Marketeers oder für Unternehmen.“
Hamburg hebt er dabei als guten Standort hervor. Die Stadt sei zwar nicht New York oder London, habe aber im Vergleich zum viel gehypten Berlin einen deutlichen Vorsprung, weil es hier eine stabile Basis an tollen und traditionsreichen Unternehmen gebe, die sich in den nächsten Jahren den Herausforderungen der Digitalisierung stellen müssten. Seine wichtigste Botschaft des Abends: Nicht warten bis Innovationen und Technologien etabliert sind, sondern sie selbst ausprobieren und sich selbst ständig weiterbilden.
Erfolgreich scheitern mit Chatbots
Einer, der es ausprobiert hat, ist Torben Tost, der als Digital Communications und Marketing Manager des Hamburg Airport die digitalen Kommunikationskanäle verantwortet und die digitale Transformation des Flughafens begleitet. Was bei Sohnemann nach großem Spiel und Spaß klingt, unterzieht Tost in seiner Präsentation einem Reality Check. Als 2016 die Flughafenmitarbeiter*innen streikten, setzte er kurzerhand die schon vorher gediehene Idee eines Chatbots um. Leider scheiterte das Projekt an fehlenden Kompetenzen, Datenschutz und technischen Schnittstellen. „Wir sind bis heute gescheitert, aber wir haben es versucht, viel gelernt und viel Know-how aufgebaut“, sagt Torben Tost. „In Zukunft wird es immer mehr darauf ankommen, auf vielen verschiedenen Kanälen erreichbar zu sein. Und ich habe hier heute noch keine Idee gehört, die wir noch nicht auf dem Schirm hätten.“
Seine Mitstreiter auf dem Podium an diesem Abend rechnen es dem Hamburg Airport als wichtigem Dreh- und Angelkreuz der Stadt hoch an, dass digitale Projekte, agiles Arbeiten und Innovation einen so wichtigen Stellenwert haben und dass ein „Monopolist“ wie der Flughafen hier vorangeht. Mobilität wird zunehmend vernetzt. Es geht um ein reibungsloses Zusammenspiel verschiedener Verkehrsträger, da sind sich alle einig. Hamburger Unternehmen müssen in Sachen Digitalisierung zusammen arbeiten.
Podcasts: Produktion einfacher als Distribution
Die beiden letzten Gäste des Abends sind Vincent Kittmann, Head of Podstars by OMR, dem größten Vermarktungsnetzwerk für Podcasts in Deutschland, und Philipp Westermeyer, der 2011 die Online Marketing Rockstars gegründet hat, die er heute aber lieber etwas bescheidender OMR nennt. Doch gehandelt wird er in der Branche noch immer als Rockstar, kein Wunder, das jährliche OMR Festival ist mit über 50.000 Besucher*innen die zweitgrößte Digitalkonferenz Europas.
Westermeyer ist ein großer Fan von Journalismus, von guten Inhalten, von Content. Er glaubt, dass OMR nur deshalb so groß werden konnte, weil Inhalte im Fokus stehen, sowohl auf der Konferenz als auch übers ganze Jahr. Noch wichtiger ist ihm aber, wie man diese Inhalte an die Menschen bringen kann. Das fand er vor allem beim Thema Podcasts spannend. Das Format ist längst keine Innovation mehr und gewinnt derzeit dennoch zunehmend an Bedeutung: „Podcasts wurden in den letzten drei Jahren zum immer wichtigeren Thema, doch kaum einer wurde vermarktet. Die Produktion ist viel einfacher als die Distribution.“
Podcasts mit Werbekunden
Inzwischen bringen Westermeyer und Kittmann die bekanntesten Podcasts des Landes mit potenziellen Werbekunden in Verbindung. Die Werbung wird dabei von den Podcaster*innen selbst eingesprochen. Die Akzeptanz von Werbung in Podcasts ist mit 81 Prozent hoch, was sich auch in der Klickrate widerspiegelt: Ein Beispiel, das Westermeyer aus den USA mitbringt, zeigt, dass die Website eines Sponsors durchschnittlich von beinahe der Hälfte der Hörer*innen aufgerufen wurde. Das sind 50 Prozent Klickrate. Zum Vergleich: Bei klassischer Bannerwerbung beträgt die Rate im Durchschnitt gerade einmal 0,1 Prozent. Das bestätigt Westermeyers These: „Persönlichkeiten und Personalisierungen werden im Digitalen noch wichtiger und Personen zu immer größeren Medienmarken.“
Aus Hamburg will er nicht weggehen. „In unserer heutigen Welt läuft es in allen Bereichen auf wenige Plattformen hinaus und letztendlich sind auch Städte Plattformen, die untereinander im Wettbewerb stehen. Hamburg hat sicherlich strukturelle Nachteile, aber ist viel bemühter als Berlin. Wenn Hamburg wettbewerbsfähig bleiben will, hat es eine Chance.“ Was er sich wünscht? Hamburg müsse mehr Ausbildungsorte für Software-Entwickler*innen schaffen. Die braucht in Zukunft jedes Unternehmen. „Die sind vielleicht nicht die Coolsten auf der Weihnachtsfeier, aber sie sind einfach unentbehrlich.“
„Sprachassistenten und ähnliche Plattformen sind die neue Content-Welt. Doch was brauchen Alexa und Co. in Zukunft für Skills? Das ist eure Challenge als Content-Experten!“
Nick Sohnemann, Future Candy
„Wir sind mit unserem Chatbot zwar erst einmal gescheitert, aber wir haben es versucht, haben viel gelernt und uns viel Know-how für die Zukunft aufgebaut.“
Torben Tost, Hamburg Airport
„Wenn Hamburg wettbewerbsfähig bleiben will, hat es eine Chance: Es muss mehr Ausbildungsorte für Software-Entwickler schaffen. Die braucht in Zukunft jedes Unternehmen.“
Philipp Westermeyer, OMR
„Mit der Digitalisierung ist in der Medienwirtschaft eine neue Zeitrechnung angebrochen. Guter Content kann eine Vielzahl von Absendern haben. Hier kommen wir ins Spiel.“
Nyasha Busse, nextMedia.Hamburg