Interview mit Prof. Dr. Christoph Kaleta
„Die Darmflora kann das Altern beeinflussen“

Die Darmflora kann das Altern beeinflussen, wie Prof. Dr. Christoph Kaleta herausgefunden hat. Der Forscher leitet die Arbeitsgruppe „Medizinische Systembiologie“ am Institut für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und verrät im Interview, wie sich das Mikrobiom bei Hochaltrigen verändert und wie sich vorsorgen lässt.

Herr Prof. Kaleta, wie wandelt sich das Mikrobiom im Laufe des Lebens und ab wann setzen Alterungsprozesse ein?

Es ist so, dass sich das Mikrobiom vor allem innerhalb der ersten zwei bis drei Lebensjahre sehr stark verändert und danach relativ stabil bleibt. Vor allem mit dem Erreichen der Jugend kommt es nur noch zu graduellen Änderungen und es beginnt ein schleichender Wandel, der sich bis zum höchsten Lebensalter fortsetzt. Es gibt also keinen Schlüsselmoment im Leben, in dem es mit dem Mikrobiom plötzlich bergab geht.

Wie verhalten sich gealterte Darmmikroben denn im Speziellen?

Ich habe mit meiner Arbeitsgruppe herausgefunden, dass es im Alter vor allem zum Verlust eines Zusammenspiels zwischen dem Mikrobiom und dem Wirt kommt. Sie können sich das so vorstellen, dass das Mikrobiom immer selbstständiger wird und weniger mit dem Wirt interagiert. Es behält also mehr Nährstoffe für sich, statt diese an den Wirtsorganismus abzugeben und gleichzeitig gibt auch der menschliche Körper weniger Substanzen an das Mikrobiom zurück. Es handelt sich also um einen Verlust des engen Zusammenspiels, das in einem jüngeren Alter noch besteht.

Woran liegt es, dass Wirt und Mikrobiom im Alter schlecht kooperieren?

Es ist bekannt, dass sich die Zusammensetzung der Darmmikroorganismen im Alter verändert. Es treten dann vermehrt Bakterien auf, die eher einen negativen Effekt auf den Wirt haben, also potentiell pathogene Spezies sind. Solche, die einen positiven Effekt auf den Wirt ausüben, wie beispielsweise aus der Gattung Bacteroides, die unter anderem für Menschen unverdaubare Ballaststoffe verwerten, nehmen hingegen in ihrer Häufigkeit ab.

Spüren wir Symptome, wenn unser Mikrobiom altert?

Symptome gibt es verschiedene. Wenn man sich also auf bestimmte Alterskrankheiten fokussiert, beispielsweise Parkinson, dann gibt es häufig schon zehn bis fünfzehn Jahre vor der tatsächlichen Diagnose erste Symptome, die mit dem Mikrobiom zusammenhängen. Obwohl nicht endgültig geklärt ist, ob ein verändertes Mikrobiom eine Mitursache für die Entstehung von Parkinson ist oder nur eine Begleiterscheinung. Bestimmte Parkinsonerscheinungen wie Verstopfung stehen jedoch direkt mit einem veränderten Mikrobiom in Zusammenhang. Das ist so ein konkreter Fall, bei dem man das tatsächlich nachweisen kann. Und aus Tiermodellen wissen wir, dass Mikrobiome gealterter Tiere, die in den Organismus junger Tieres verpflanzt werden, Prozesse auslösen, die typisch für Alterungsprozesse sind. Dazu gehört beispielsweise ein erhöhtes Entzündungsgeschehen.

Kann Sport das Mikrobiom positiv beeinflussen?

Aus Studien ist bekannt, dass körperliche Aktivität einen positiven Einfluss auf die Lebenserwartung hat. Ob dieser Effekt teilweise über das Mikrobiom vermittelt wird, ist allerdings noch nicht geklärt. Es exixtieren aber verschiedene Arbeiten die zeigen, dass beispielsweise Marathonläufer bestimmte Spezies im Mikrobiom verstärkt aufweisen, die das Stoffwechselprodukt Laktat, das bei Belastung freigesetzt wird, in Produkte verstoffwechseln, die der Wirt dann wieder nutzen kann. Bei Mäusen zeigt sich auch, dass diese, wenn man ihnen ein Mikrobiom transplantiert, das verstärkt Laktat verstoffwechseln kann, eine erhöhte Ausdauer haben.

Uns gibt es vielleicht sogar ein Medikament zur Verjüngung des Mikrobioms?

Was Medikamente betrifft, haben wir untersucht, wie der Typ-2-Diabetes-Wirkstoff Metformin, der aktuell von Altersforschern viel besprochen wird, auf das Mikrobiom wirkt und herausgefunden, dass sich damit eine Verjüngung des Wirts erreichen lässt. In der Studie haben wir das Medikament an Fadenwürmern getestet und konnten zeigen, dass die verjüngende Wirkung nur dann einsetzt, wenn die Würmer ein Mikrobiom besitzen.

Wissen Sie, woran das liegt?

Wir haben die Zusammenhänge genauer erforscht und festgestellt, dass Bakterien, in diesem Fall E. coli, bei Metforminbehandlung einen Stoff produzieren, der Agmatin heißt. Dieser Stoff vermittelt dann die lebensverlängernde Wirkung von Metformin auf die Würmer. Vom Menschen ist das sogar auch schon teilweise bekannt, da man weiß, dass die intravenöse Gabe von Metformin keinen Effekt hat, wohingegen Metformin-Varianten, die direkt im Dickdarm wirken, also da, wo sich der Großteil des Mikrobioms befindet, am effektivsten sind.

Und was halten Sie von Stuhltransplantationen zur Verjüngung?

Stuhltransplantationen sind für die Forschung ein interessantes Konzept, um nachzuweisen, dass das Mikrobiom eine Wirkung hat. Das Problem ist aber, dass man da eine komplette bakterielle Gemeinschaft transplantiert, die sich im Laufe zahlreicher Lebensjahre entwickelt hat und individuell auf den Wirt abgestimmt ist. Es gibt klinische Indikationen bei denen Stuhltransplantationen tatsächlich funktionieren, aber relativ wenige. Denn die Konsequenzen eines solchen Transfers sind weitestgehend unklar.

Kennen Sie eine vielversprechendere Therapie?

Insgesamt bieten die Darmmikroben ein sehr dankbares Ziel für Therapien, da es sich wesentlich leichter verändern lässt als beispielsweise unser Genom. Das Ziel meiner Arbeitsgruppe ist es, gezielte Mikrobiomtherapien zu entwickeln, bei denen wir entweder die Stoffwechselprodukte, die durch das Mikrobiom nicht mehr produziert werden, zuführen, um negative Auswirkungen auszugleichen. Oder wir beeinflussen gezielt die Häufigkeit einzelner Spezies, von denen wir wissen, dass sie einen positiven oder negativen Effekt auf den Wirt haben. Inwieweit sich dadurch das Altern bremsen lässt, das wollen wir im nächsten Schritt herausfinden.

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