21. November 2019
Zeitgeist im Content Marketing: Gefangen in der Legebatterie?

Für Social-Media-Posts braucht man ihn nicht. Aber wo ist denn noch der Platz für journalistisch sorgfältig produzierten Content? Ein Zwischenruf von unserem Chefredakteur und Content-Marketing-Forum-Juror Michael Hopp

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Wohin entwickelt sich das Content Marketing, welche Art von Agentur setzt sich durch, wer werden die großen Player sein? Wie sind die Chancen für kleine und sehr kleine Agenturen, wie wir eine sind? Die Antworten kennt wohl niemand, Trends und Tendenzen lassen sich allerdings klar erkennen.

In Fragen der Ausrichtung hat das „Content Marketing Forum“ letztes Jahr die Weichen gestellt, indem es den Award durch einen gemeinsamen Veranstaltungstag in die Nähe des „OMR Festivals“ (Online Marketing Rockstars) gerückt hat – jener legendären Veranstaltung, die letztes Jahr 52.000 Besucher nach Hamburg lockte. Eine „guided Tour“ zu den Anbieter*innen-Ständen wird für 2000 Euro angeboten. Wohin der Rubel rollt, ist unübersehbar. Content ist hier Massenware, die aus den Legebatterien der Social-Media-Agenturen mit ihren oft Hunderten Mitarbeitern*innen kommt.

Am fertigen Produkt sind „Content Marketing“ und „Online Marketing“ inzwischen schwer unterscheidbar. Jede heute vorgestellte Content- Marketing-Kampagne schließt die Bespielung von Social Media mit ein. In den richtig gewählten Netzwerken lassen sich schließlich Dialog und Interaktivität inszenieren und eventuell sogar Leads generieren. Hier wird die Kampagne ihrer Effizienz nach messbar, auch Analytics gehören heute zum Standardrepertoire.

Theorie und Praxis

In der Theorie entfaltet sich eine Content-Kampagne am schönsten und effizientesten, wenn vom Content Mining – der Themensuche am Anfang, wo wir Journalist*innen noch gefragt sind, gerne auch unter Zuhilfenahme von KI – bis zum Targeting in die individuellsten Kanäle am Ende, alle Verwertungsformen aus einem Basis-Content modelliert werden können. Das ist ja das große Versprechen, das Content Marketing macht.

Weil das in der Praxis oft nicht rund läuft, buchen viele Unternehmen zur Content-Marketing-Agentur noch eine Social-Media- oder Online-Marketing-Agentur dazu. Diese Agenturen sind umgekehrt oft nicht interessiert daran oder sehen kein Geschäftsmodell darin, auch Quell-Content anzubieten, der ja am Ende doch mit irgendwie journalistischen Methoden erstellt werden muss.

Wo bleibt der*die Journalist*in?

Die Gemengelage ist kompliziert und beinhaltet einen Grundkonflikt, der freilich nie offen ausgetragen wird. Aber vielleicht hilft es, ihn sich zu bewusst zu machen. Es geht dabei um die Rolle der früheren Journalist*innen bei der Herstellung des Content. Wer HuF kennt oder schon bei unseren Events war, wird schnell erkennen, dass die Frage etwas pro domo gestellt ist.

Es ist doch so: Die originären und kreativen Leistungen, die Journalist*innen erbringen, machen sich am besten am Beginn der Verwertungskette und werden da am ehesten gebraucht. Content First! Früher waren die gedruckten CP-Magazine die natürliche Heimat des Premium Content – später mit der berühmten „Verlängerung ins Internet“ oder dem todtraurigen Genre der Blätter-PDFs, lange bevor man verstanden hatte, dass es im Internet darum geht, aufgefunden zu werden.

Als Print begann, weniger zu werden, ließ sich unter Print-Bedingungen hergestellter und bezahlter Premium Content, zunächst noch gut vermarkten: auf Corporate Websites, in Online-Magazinen, auf thematischen Microsites, mitunter auch auf Apps. Über viele Jahre hatte journalistisch hergestellter Content damit auch sein Geschäftsmodell und ließ sich in crossmedialen Kampagnen unterbringen, eben auch dann, wenn es wenig oder gar kein Print mehr gab.

Auf- und Abwertung des digitalen Content

Eine neue Generation von Kommunikationsleuten in den Unternehmen begegnete Print von Anfang an mit großem Misstrauen: zu langsam, zu wenig effizient, teurer Vertrieb, schwer messbare Wirkung. „Digital First“ hieß es nun, und aller Content wurde zum „digitalen Content“. Pardoxerweise ging damit eine Abwertung des nunmehr „digitalen Content“ einher.

Mit dem Hinweis, es handle sich doch „nur“ um digitalen Content, wurden die Aufwände reduziert, nicht nur im Text – Reportagen oder Fotoproduktionen waren plötzlich die Ausnahme, nicht die Regel. Videos begannen, einen Großteil des Budgets aufzufressen, übrigens ungeachtet, ob sie angesehen wurden oder nicht.

Mit der schnell wachsenden Bedeutung von Social Media geriet der Premium Content weiter unter Druck. HuF wurde von einem bekannten E-Auto-Hersteller in Aachen für eine Content-Strategie und deren Umsetzung engagiert. Doch bald stellte sich heraus, dass der einzige Kanal, der bespielt werden sollte, Facebook war – und zwar mit Rabatt-Aktionen und Hinweisen auf die E-Auto-Prämie. Das war dann wohl ein Missverständnis.

Am Ende doch nur Posts

Seien wir ehrlich, es gibt nichts Schrecklicheres, als Facebook-Posts zu schreiben. Die wenigsten Journalist*innen sind talentiert darin. Auch die Kooperation mit (bärtigen) meist übel gelaunten Social-Media-Expert*innen macht wenig Spaß, weil sie ohnehin besser wissen wie’s geht – und selber übrigens nie auf die Idee kämen, ihren Job überhaupt mit Journalismus in Verbindung zu bringen.

Aber ich bin auch skeptisch, ob es gelingen kann, den tollen, den journalistischen, den aufwändig und teuer hergestellten Premium Content beziehungsweise die, die ihn herstellen, unter Artenschutz vor dem Social Mob zu stellen. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, damit kommt man ja auch nicht weit.

Am 1. September ist HuF dem „Content Marketing Forum” beigetreten. Mit mehr als 100 Mitgliedsagenturen ist der CMF der größte Verband für Content Marketing in Europa. Vor drei Jahren gewann HuF beim alljährlich vom CMF alljährlich ausgerichteten „Best Of Content Marketing Award“ eine Goldmedaille, für die HuF-Broschüre „We Love You“.  Seit zwei Jahren gehört Michael Hopp der Jury des Awards an. Mit dem nunmehrigen  Eintritt in den CMF hat HuF die Möglichkeit, sich vermehrt an den Diskussionen über die Perspektiven der Content Marketing zu beteiligen.

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