6. September 2018
Zwei Ösis über Content Marketing

Unser Chefredakteur Michael Hopp ist ein Wiener in Hamburg. Anlässlich des BCM, der in diesem Jahr in seiner alten Heimatstadt gastierte, wollte er herausfinden, was sich eigentlich in der österreichischen Content-Branche so tut. Wenn es einen Austro-Pop gab, müsste es ja auch einen Austro-Content geben, dachte er sich. Er hat dafür mit einem gesprochen, dem die Szene vertraut ist, wie keinem zweiten. Martin Distl ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Content-Macher des Landes und verantwortet als CMF-Vorstand den österreichischen Markt

Michael Hopp: Lieber Martin Distl, wer sind die drei bekanntesten Österreicher im Content Marketing?

Martin Distl: Lukas Kircher fällt mir da als Erster ein, zu dem muss man ja nicht viel sagen, Gründer und Mastermind von C3. Das ist sicher einer der bekanntesten Namen. Dann Stefan Häckel, der inzwischen bei Vice für die D-A-CH Region verantwortlich ist. Der ist auch sehr stark mit dem Thema Content befasst, wenn auch nicht mit Content Marketing im klassischen Sinne. Und Lukas Schärf mit seiner Agentur Content Garden. Schärf war in diesem Jahr einer der drei österreichischen Gewinner des BCM und ist stark auf dem deutschen Markt aktiv. Das sind die drei, die mir als erstes in den Sinn kommen.

Zwei von den Dreien sind Österreicher in Deutschland. Als wir in den 80er-Jahren mit der Wiener-Redaktion nach Hamburg gezogen sind, um Tempo zu machen, war das ein Riesenthema: die Österreicher in der ausländischen Medienlandschaft. In der Content-Marketing-Branche ist das kein Thema?

Dem kann ich nur zustimmen, das war in den 80er-, 90er-Jahren eine Zeitlang sehr in den Medien präsent. Es ging rund um Helmut Thoma, Gerhard Zeiler, Georg Kofler (Südtiroler), Hans Mahr, Rudolf Klausnitzer, die damals Schlüsselpositionen in der deutschen Medienlandschaft besetzten. Da waren doch einige Leute aus Österreich in Deutschland. Jetzt sind es auch nicht wenige, es wird nur tatsächlich nicht mehr so thematisiert.

Hier in Hamburg haben wir noch einen der erfolgreichsten Medienmacher, also Medien im weitesten Sinne: Christoph Lieben-Seutter. Das ist der Intendant der Elbphilharmonie. Der ist aber eher schon so der neue Typus von Österreicher, der geht nur auf Nachfrage darauf ein. Der lässt es nicht so offensichtlich raushängen wie wir damals. Wir sind ja früher oft noch so im Dialekt reingegangen und davon ausgegangen, dass wir verstanden werden müssen. Und wer’s nicht versteht, ist eh doof.

Vielleicht war es zu der Zeit einfach auch noch etwas Besonderes, ins Ausland zu gehen. Heute ist das normal. Alleine, wenn man sich anschaut, wie viele Österreicher in München oder Hamburg im Medien- und Marketingumfeld tätig sind und natürlich auch umgekehrt, wie viele Deutsche in Österreich arbeiten.

Die Österreicher im Content Marketing sind aber keine Clique, die so eng verbandelt ist, wie das früher in der Medienbranche war, oder?

Man kennt sich natürlich und man tauscht sich aus. Im Austrian Chapter des Content Marketing Forums haben wir inzwischen 16 Mitglieder, darauf sind wir sehr stolz, das ist für so einen kleinen Markt eine gute Leistung. Ich versuche, als Vorstand zu forcieren, dass man sich regelmäßig trifft. Dass sich das hier recht stark auf Wien konzentriert, macht es natürlich relativ einfach – auch wenn die Mitglieder nicht nur von hier, sondern über Innsbruck, Salzburg bis Graz aus ganz Österreich kommen.

Wie groß ist denn der österreichische Content-Marketing-Markt?

Der österreichische Markt hat etwa ein Volumen von 500 bis 600 Millionen Euro. Aber das ist schwer exakt ermessbar. Gattungen wie PR, Medienagenturen, klassische Werbeagenturen, Verlage und so weiter haben alle ihren berechtigten Anspruch darauf. Aber man kann natürlich sagen: Der Kern von Content Marketing ist das Storytelling und das ist den Verlagen sehr nahe und dort grundlegend zu Hause.

Treten die österreichischen Verlage im Zusammenhang mit Content Marketing ähnlich stark in Erscheinung wie in Deutschland?

Schon. Es ist nur so, dass es den Verlagen in Österreich nicht ganz so gut geht wie den deutschen, einfach weil der Markt kleiner ist. Dennoch haben viele Verlage Content-Abteilungen. Styria hat die Content Creation, in der ich fast sechs Jahre lang als Geschäftsführer aktiv war, der Standard hat Egger & Lerch, auch die Kronen Zeitung und die Verlagsgruppe News bieten Content Marketing an. Alle diese Häuser machen ein ganz solides Geschäft damit, aber keines schafft es groß nach vorn. Das größte Potenzial den Corporate-Media- beziehungsweise Corporate-Publishing-Markt zu besetzten, hätte sicher das Red Bull Media House, wenn es den Fokus darauf setzen würde.

Hopp: „Ist eine Stärke der Österreicher fürs Content Marketing das Improvisationstalent?“

Distl: „Mag sein, denn um auf Präzision zu kommen, bedarf es der Improvisation.“

Fällt ihnen ein Beispiel von einer österreichischen Content-Marketing-Kampagne ein, die gut in Deutschland funktioniert?

Wer das blendend versteht, und sicher auch eine Art Mutter des modernen Content Marketing ist, ist Red Bull. Der TV-Sender Servus, der diese Nostalgie-Landlust-Naturwelle sehr erfolgreich aufgreift, ist vor allem in Süddeutschland sehr erfolgreich, das Red Bulletin weit darüber hinaus. Die machen das schon sehr gut.

Zum Abschluss möchte ich nochmal auf ein Klischee zu sprechen kommen. Von Österreichern heißt es oft, sie seien spontaner und flexibler als Deutsche und wenn mal was nicht funktioniert, ist es nicht gleich ein Weltuntergang. Bringen die Österreicher damit gute Voraussetzungen fürs Content Marketing mit? Was hilft im Content Marketing mehr, um in dem Klischee zu bleiben? Improvisation oder Präzision?

ch glaube, um auf Präzision zu kommen bedarf es Improvisation. Gerade im Digitalbereich ist „trial and error“ eine wichtige Methode. Man muss ein Ziel verfolgen und den Weg dahin finden. Wer da behauptet, alles zu verstehen, dem glaube ich nicht. Man braucht eine moderne Fehlerkultur und muss seine Erfahrungen machen. Dazu ist Improvisation nötig. Aber, und das ist ja auch eine Stärke des Content Marketing, man kann gerade auch über digitale Kanäle ständig seine KPIs überprüfen und die Performance messen. Und da greift die Präzision. Man muss ständig die Stellschrauben nachdrehen, auf den Markt und das Feedback reagieren und sein Vorgehen stetig anpassen. Das leistet klassische Werbung nicht, das kann nur Content Marketing.

Martin Distls TOP 5 in der österreichischen Content Marketing-Szene

(abseits von Red Bull und seinem eigenen Unternehmen)

1. Egger & Lerch

Stark in grafischen Editorial Designs, verstehen sie es redaktionelles und digitales Know-how mit Agenturverständnis zu verknüpfen.

2. Le Fritz

Mehrfache Gewinner des BCM-Awards, Ausgründung des Starmühler Verlags. Setzen ein bisschen auf Oldschool-Thematik, aber das machen sie sehr gut und hochwertig.

3. Content Garden

Die Agentur von Lukas Schärf muss man auf jeden Fall im Digitalbereich hervorheben. Das ist definitiv eine der führendenden Agenturen in Österreich.

4. Kraftwerk

Das ist eine sehr große Agentur, mit Expertise in Print, Online und klassischer Werbung. Auch ihre Abteilung für Corporate Publishing und Content Marketing leistet hervorragende Arbeit.

5. Styria Content Creation

Mit ihrer journalistischen DNA und der Marktführerschaft im Digitalbereich bündelt Styria zentrale Kompetenzen für überzeugendes Content Marketing.

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